* Project text: Grundlage für dieses Projekt ist eine Forschungsarbeit am Fachgebiet Tektonik im Holzbau, Juniorprofessor Max Otto Zitzelsberger, an der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität RPTU im Fachbereich Architektur.
Das neue Gebäude steht auf dem Gelände des Freilandmuseums Oberpfalz in Bayern. Es ergänzt einen ehemaligen Vierseithof, dessen Hauptgebäude einem Brand zum Opfer gefallen war. Es handelt sich um einen einfachen Holzständerbau. Das Holz stammt aus dem nahegelegenen Wald, wurde im Winter geschlagen, sorgfältig vor Ort mit einer mobilen Säge geschnitten und ein Jahr lang behutsam getrocknet.
Materialien werden so sparsam wie möglich eingesetzt. So konnten beispielsweise auf Grund der überdurchschnittlich hohen Holzqualität die Querschnitte der tragenden Kanthölzer reduziert werden. Das Gebäude wurde aufgeständert und sitzt auf wenigen betonierten Fundamenthälsen. Damit ließ sich schließlich auch die notwendige Menge an Beton auf ein Minimum begrenzen.
Die Aufständerung des Bauwerks ist aber nicht nur ein Thema nachhaltiger Baukonstruktion. Es ist auch ein architektonisches Thema. Deshalb orientiert sich der Ersatzbau für das abgebrannte historische Bauernhaus zwar an dessen Form, bricht und verfremdet sie aber auch an entscheidenden Stellen.
Der Entstehungsprozess des Lernhauses ist bereits relevanter Teil der musealen Vermittlungsarbeit. Es handelt sich demnach nicht nur um ein Haus, in dem Lernen stattfindet, sondern eines, das auch selber lernt. Diese Chance beinhaltet ein herkömmlicher Planungsprozess nicht. Die Forschung basiert auf einer genauen Analyse bekannter und etablierter Prozess-Strukturen und versucht den Neuentwurf eines „anderen Prozesses“ zu formulieren, der sowohl Entwicklungslinien vorskizziert, diese aber nicht dogmatisch festschreibt. Damit bleiben Freiräume offen für ein „lernendes Haus“ und eine „lernende Baustelle“.
Prozesse könnten Vorgänge sein mit offenem Ende: nicht statisch, nicht linear, sondern dynamisch. Damit unterscheiden sie sich klar von herkömmlichen Planungsprozessen. Umwege werden dann zum Ziel. Wege und direkte Verbindungen wollen hier vermieden sein. Es wird versucht, nicht vom Ergebnis her zu denken, sondern von den Ressourcen. Dies trifft beispielsweise auf das Bauholz zu, welches aus dem museumseigenen Wald „stammt“. Das Gebäude war so zu entwickeln, dass die zur Verfügung stehenden Kubikmeter Material so effizient und effektiv wie möglich genutzt werden.
Bereits der Rohbau des Lernhauses wird in den Sommermonaten als Räumlichkeit für Workshops, Ausstellungen und Seminare genutzt. Ein temporäres Kleid aus Klimavorhängen im Innenraum wird bald auch eine Nutzung des Rohbaus in den Übergangszeiten ermöglichen.
Ein wichtiger Bestandteil prozessualen Denkens und Handelns ist die kooperative Vorgehensweise. Das Bauwerk entsteht auch in Zusammenarbeit mit den benachbarten Schulen. Die zentrale Treppe im Innenraum des Seminargebäudes wird von Schüler*innen der Berufsschule Nabburg entwickelt und gebaut. Es galt die Konzeption des Grundrisses so flexibel wie möglich zu gestalten, um der Berufsschule noch ausreichen Gestaltungsspielraum zu gewähren.
Jeder Zustand ist Zwischenstand und Ergebnis zugleich. Es gibt kein fertiges Gebäude. Es gibt keinen fertigen Prozess. Es gibt nur unfertige Ergebnisse und fertige Zwischenstände. Ziel war es von der herkömmlichen Gebäudeplanung wegzukommen. Vielleicht lässt sich diese andere Art des Prozesses mehr als „Skizzen von Szenarien“ und als „alternative Zukünfte“ beschreiben, um am Ende auch während des Vorhabens noch ausreichend Raum und Mitspracherecht aller Sorgetragenden im Sinne eines nicht hierarchischen Beteiligungsprozesses zu ermöglichen. Die Liste der Kümmerer*innen des Lernhauses findet sich am Ende des Beschriebs.
Bei diesem Haus handelt es sich auch um ein Gegenprojekt zu manchen Prestigebauten deutscher Freilandmuseen, die den verschwenderischen Verbrauch von Material, von Ressourcen und von Raum unnötig zelebrieren. Man könnte es überhaupt als „Anti-Projekt“ bezeichnen. So gibt es beispielsweise keinen herkömmlichen Zeitplan, sondern ein Strategiepapier. Gebaut wird dann, wenn Material und Kapazitäten vorhanden sind. Ein “fertiges“ Haus gibt es nicht. „Alles ist ein Rohbau.“ Der Prozess ist das Ergebnis.
01 What have you learned from the project? What challenges did you encounter, and how did you solve them?
Um zu gestalten, müssen wir nicht unbedingt bauen. Manchmal ist die Lösung auch eine organisatorische. Wir sollten Architektur nicht mit Bauen verwechseln.Es braucht viele Stimmen, um ein gutes Ergebnis zu bekommen. Diese anzuhören und einzubinden ist unsere Aufgabe. Das braucht Zeit und Geduld, zwei Faktoren, die in herkömmlichen Planungsprozessen keinen Platz haben.
02 What advice could you provide, based on the project?
Wir sollten nicht das bauen was irgendjemand will, sondern das was Sinn macht. In diesem Sinne müssen wir uns frei machen von Vorgaben. Dies gelingt nur, wenn wir deutlich mehr Zeit haben, die Auftraggeber*innen zu beraten und ihnen die ganze Bandbreite ihrer Möglichkeiten aufzuzeigen. Wir sollten nicht immer das sagen, was unsere Auftraggeber*innen hören wollen und deshalb mit der ersten Wahrheit beginnen: Gut Ding will Weile haben.
04 How would you like to build in the future?
Mehr reflektieren und weniger planen. Mehr gestalten und weniger ausführen. Mehr denken und weniger bauen. Wir brauchen nicht viel Baumasse, um gestalten zu können. Stell Dir vor, jemand möchte ein Haus bauen und Du schlägst vor einfach keines zu bauen. Das ist die falsche Frage. Lieber wäre mir „Wie wollt Ihr in Zukunft gestalten?“ Was wünschen wir uns?
Name: Lernhaus für Umweltbildung, Forschungsarbeit an der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität RPTU, Fachbereich Architektur fatuk
Location: Nabburg, DE
Text and images by: Max Otto Zitzelsberger & Jonas Maczioschek
Photography: Sebastian Schels
Type: Places
Posted: March 2025
Categories: localism, raw materials, community, Germany